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SUPERMARKT – Rio Severin

Eine etwas skurrile Einkaufstour.

Über ein Internetportal habe ich einen Kontakt hergestellt und werde in einen Berliner Vorort fahren, um ein Auto zu kaufen. Davor steige ich mit Salsa, meinem Rucksack und meiner Gitarre in eine Buslinie, um eine Rundfahrt durch die Metropole an der Spree zu machen. Denn mein Weg wird mich weiter in den Süden führen. 

Ich erwarte eine graue Großstadt mit Hochhäusern, düster und unpersönlich. Was mir von der deutschen Hauptstadt als erstes ins Auge springt, sind Bäume. Zwar ist es Winter und die Äste stehen im kahlem dunkelbraun. Aber ich habe die Ahnung des Sommers vor Augen. Eine lebendige Stadt zwischen Wasser und Wald.Und Millionen von Menschen, die in der geometrischen Symphonie eines Ameisenbaus ihren Weg aneinander vorbeischlüpfen. Ohne Berührungspunkt. Man lässt den anderen, folgt stur den Schienen des eigenen Lebens.

Die S-Bahn rattert hinaus aus der Stadt. Wieder kreuzt meinen Blick nichts als Wald. Neben mir sitzt eine alte Frau mit einem rosa Hut. Ich lächle sie an. Sie weicht meinem Blick aus, sieht auf Salsa, die sie mit ihren treuen hellbraunen Augen in ihren Bann zieht. Der Mundwinkel der Frau zuckt, ein kurzer Funke glimmt in den wässrigen Augen. Dann wendet sie sich ab, schnieft kurz und sieht starr zum Fenster hinaus. Drei Stationen später steige ich aus dem Zug. Wir haben uns mit Horst auf dem Parkplatz verabredet. 


Über eine Gebrauchtwagen-Plattform bin auf mein Wunschfahrzeug gestoßen, einen burgunderfarbenen T4 Campingbus, der für die nächsten Monate unser Zuhause sein wird. Ich erblicke einen Mann, etwa meine Größe, eins achtzig. Sein Alter ist schwer einzuschätzen unter dem leicht graumelierten Bart, der in gekräuselten Wellen seine breite Brust berührt. 

Seinen Kopf bedeckt ein New Era Baseball-Cap mit dem glutroten Aufdruck ‚Eisbären‘. Links an seinem Hals entdecke ich über dem Kragen seines Anoraks den Kopf eines Adlers. Die stechend gelben Augen des Tattoos ermahnen mich zum Abstand. Ich checke den Wagen, der in gutem Zustand zu sein scheint und bringe den Kauf schnell hinter mich. 
Salsa springt mit einem kurzen Laut auf die Beifahrerseite und wir fahren los. Zunächst benötigen wir eine Einkaufsmöglichkeit. Ich aktiviere die Suchfunktion meines Smartphones und finde ein Geschäftszentrum ganz in der Nähe.

An der Kasse des Supermarktes stehe ich mit meinem Wagen, gefüllt mit Versorgungsartikeln für die nächste Woche, als eine Stimme aus dem Lautsprecher ertönt: „Sehr verehrte Kunden, wir haben die Information erhalten, dass sich in diesem Markt eine Person aufhält, die sich in befristeter Isolation befindet. Wir fordern diese Person auf, sich an der Kasse zu melden, sonst werden wir sofort den Markt sperren und die Polizei rufen.“

Kurze Zeit später sehe eine Mutter mit zwei Kleinkindern und ängstlichem Blick auf die Kassiererin zutreten. Ihr folgt ein betagter Mann, der auf einen Stock gestützt den Plastikkorb in seiner Hand kaum tragen kann, sowie drei junge Männer, die selbstbewusst einem schwitzenden Mann entgegengrinsen, dessen grau-grünes Polohemd über der massigen Körpermitte spannt. Im Augenwinkel sehe ich zwei weitere Gestalten ohne Einkäufe den Markt verlassen. 

Hinter mir ertönt heiseres Lachen. Ich drehe mich um und schaue auf eine kleine Frau südländischer Herkunft. In ihren Augen tanzt der Schalk.“ Ich komme gerade zurück aus Griechenland“, sagt sie. „Dort standen nach so einer Durchsage zehn Leute an der Tür.“ 

Ein Zitat von Jorge Luis Borges kommt mir in den Sinn:

Zweifel ist einer der Namen der Intelligenz.

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